> 366 HOMMAGES < 1.Januar bis 31.Dezember 2004
„Verpflichten wir uns der Anerkennung des so überaus kostbaren Charakters jedes einzelnen Tages.“ Der XIV. Dalai Lama
Das Material: 366 alte, verwitterte Schieferdachziegel aus der Bretagne
Das Projekt: 366 Hommages, jeden Tag einen Mensch, eine Idee, ein Ereignis in Wort und Bild würdigen...
Das Ergebnis: 366 bemalte Steine und 1 Katalog
Durch den Schiefer ließ ich das Jahr malen...
Am 1. Januar 2004 fing ich ein besonderes künstlerisches, durchaus auch literarisches Projekt an, das mich an verborgene Dimensionen des Lebens heranführte, neue Fähigkeitsentwickelungen initiierte, mir ein Jahr intensives schöpferisches Schaffen schenkte.
Jeden Tag sich neu zuneigen, sich einem anderen Thema hingeben, sei es Menschenbiographien, inneren Motiven, persönlichen Erlebnissen.
Dieser Weg durch das Jahr führte mich auch an den Ursprung des Materials, den blauen Schiefer der Bretagne, zurück. Ein uraltes Gestein, 30 Millionen Jahre Ablagerungen organischen Lebens, das wiederum als Dach eine Generation lang die vielen Naturgewalten, Witterungen und Rostspuren sich einprägte.
Ein doppeltes Gedächtnis von Zeit und Raum und dann 366 Tage dazu als eine Art schützendes Dach für das Jahr 2004, und als Baustein für die Zukunft.
Die Menschenbiographien - was sind Biographien wenn nicht die Liebe, die in den Taten der Menschen lebt - eine frühere Menschheit empfing die Tafeln des Gesetzes von Gott, heute sind es die von Menschen geschriebenen Lebenstafeln, die in der materiellen Substanz des Steines, der Erde zu lesen sind.
Ich ließ sie durch den Schiefer wieder erklingen in ein neues Sichtbar-Werden.
Die Bretagne, mit ihren vielen uralten Kapellen, sie lebt noch heutzutage von den lebendigen Verehrungskräften ihrer Einwohner. Damit vibrieren die Steine nicht allein durch Stürme und Meeresvogelgesang sondern auch durch die Hingabe, die Devotion der Menschen.
Das hatte mich dort tief beeindruckt und so wuchs in mir der Wunsch, mich im alltäglichen Üben in die spirituellen Intentionen anderer, weltweit aktiven oder lang verstorbenen Menschen zu versenken und mich so lang wie nötig heranzutasten, bis ich die Gewissheit hatte: jetzt rühre ich an ein Innerstes, Tiefstes dieses Menschenlebens.
Kein Tag glich dem nächsten. Fast immer war es aber ein ewiges Suchen über den ganzen Tag hinweg in einem einziges Buch, in Bücherstapeln oder im Internet nach den wesentlichen Aspekten eines Werkes, einer Biographie, die wiederum eine tiefere Verknüpfung mit mir selber bildeten, mit meinem an diesem Tag gefärbtes inneres Leben.
Erst dann war ich zufrieden und konnte an die Umsetzung in das Bild nachdenken, um das richtige Zusammenspiel von Material, Motiv und künstlerischem Anspruch zu entwickeln, zu entzaubern... Meist wurde dann ein entsprechender Text, ein Gedicht oder Gebet als treuer Begleiter des Bildes gesucht, so erhielt das Projekt seine volle geistige Dimension.
Manchmal war es ganz anders und ich fand mich abends spät noch am Nachspüren, was sich heute als DIE richtige Widmung des Tages offenbaren wollte und malte in konzentrierter meditativer Haltung diesen besonderen Brennpunkt, da wo Inneres, Persönliches und Äußeres, Weltliches in einem Augenblick verschmelzen können.
Da ich manchmal den vollen Tag brauchte, um diesen Kern zu finden und der Zeitdruck gegen Abend immer größer wurde, war das große Loslassen, das erste, das ich dem Projekt verdankte, es entwickelte sich aber während des Jahres eine Fülle von anderen Entwickelungsprozessen, die ich mit größter Dankbarkeit aufnehmen konnte.
Dieses Sich-Einsfühlen mit dem Weltgeschehen, mit den inneren Spiegelungen, dieses Ringen und Suchen nach dem Positiven, nach dem Verehrungsfähigen in einer Welt voller Schreckensmeldungen wurde für mich zum Erleben einer neuen Brüderlichkeit, einer Art spirituellen Globalisierung. Das Tragen der Intentionen anderer Menschen hat mich wiederum unendlich viel genährt, ich hoffe nun, diese sind dadurch ein wenig lebendiger geworden... Was sonst isoliert ist in Zeit- und Raumesdimensionen wurde durch das Projekt neu gebunden in einem 24-stündigen Rhythmus, der ich hoffe, uns die Zukunft anders öffnet.
An dieser Stelle möchte ich mich noch von ganzem Herzen bei denjenigen bedanken, die an mich glaubten und so das Projekt wesentlich unterstützt haben!
Merci à tous, à Ames pour les magnifiques tuiles de son toit ! Danke an alle!
Laurence Rogez, 9.2.2005